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Usability

Funktionalität und Usability

Jede Designlösung muss sich täglich aufs Neue bewähren.

Die Frage, ob und wie

Es gibt einen Unterschied zwischen „die richtigen Dinge tun“ und „die Dinge richtig tun“. Dass Produkte gut funktionieren und einfach zu benutzen sind, ist eine Grundvoraussetzung im Produktdesign. Darüber hinaus sollte ein neues Konzept nicht nur möglichst effektiv sein – sondern auch effizient.

Funktionalität

Geht ja prima.
Was zeichnet ein gutes Produkt aus? Zunächst einmal, dass es einwandfrei funktioniert. Ist das der Fall, ist es auch nützlich. Was wie selbstverständlich klingt, ist allerdings seltener, als man denkt.

Funktional ist im Produktdesign immer dann etwas, wenn der Gegenstand eine bestimmte Aufgabe erfüllt. Wenn Föhne föhnen, Fahrräder fahren oder Rasierer rasieren, sind sie funktional. Die Frage, wie und mit welcher Qualität diese Funktion erfüllt wird, beantwortet der Aspekt der Usability. Auf Deutsch: die Gebrauchstauglichkeit.

Usability

Der Grad der Nützlichkeit.
DIN EN ISO 9241 Teil 11 ist kein wirklich gebrauchstauglicher Name. Dennoch definiert die Norm Gebrauchstauglichkeit. Sie ist demnach immer dann gegeben, wenn folgender Tatbestand erfüllt ist: „... indem ein Produkt oder eine Software bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend erfüllt.“ – Da die Zufriedenstellung des Nutzers das Resultat aus Effizienz und Effektivität und einiger weiterer Faktoren ist, können Sie das Wort „zufriedenstellend“ gleich wieder aus Ihrem Gedächtnis streichen. Merken Sie sich stattdessen lieber Praktikabilität. Doch dazu später mehr, vorher wollen wir uns kurz die beiden wichtigen Themen Effektivität und
Effizienz ansehen.

Effektivität

Effektiv ist eine Sache immer dann, wenn man sein Ziel erreicht hat. Findet man zum Beispiel mitten in London einen Parkplatz, ist das effektiv. Hat man dafür zwei Stunden und zig Liter Sprit gebraucht, ist es allerdings wenig effizient. Im Unterschied zur Effizienz zählt bei der Effektivität allerdings nicht der Aufwand, der zur Erreichung eines Ziels nötig ist. Will man aus Designperspektive Effektivität beurteilen, so muss man etwas vorsichtig sein. Denn mangelnde Effektivität ist nicht immer das Resultat schlechter Gestaltung. Wenn zum Beispiel ein Rasierapparat nicht effektiv funktioniert, dann liegt das nicht zwingend an schlechtem Design. Es kann vielmehr technische Ursachen haben oder konstruktionsbedingt sein.

Effizienz

Effizienz ist ein Goldenes Kalb, um das alle tanzen. Aus gutem Grund – bezeichnet sie doch das Verhältnis von Aufwand und Resultat. Sprich: Was ist notwendig, um ein Ziel zu erreichen, wie wirtschaftlich ist etwas, rechnet sich das? Je geringer der Einsatz ausfällt, desto effizienter wird ein Ergebnis erzielt.  

Aufwand meint dabei verschiedene Dinge. Wichtige Faktoren sind die Zeit, die Energie oder auch die Konzentration, die wir für eine bestimmte Sache investieren müssen, um etwas zu
erreichen. Ein besonders übersichtliches Produktdesign zum Beispiel kann den Zeit- und
Konzentrationsaufwand bei der Bedienung reduzieren und die Effizienz deutlich steigern.

Praktikabilität

Bei Praktikabilität handelt es sich um die Alltagstauglichkeit. Wichtige Punkte wie etwa die Kompaktheit, die Stapelbarkeit oder die Transportierbarkeit bestimmen, wie praktisch wir ein Produkt empfinden. Hohe Beständigkeit oder nützliche Zusatzfunktionen sind weitere wichtige Pluspunkte. Gerade für extravagantes Design schlägt in puncto Praktikabilität oft die Stunde der Wahrheit: Was nützt schon ein aufregend gestaltetes Produkt, wenn es zu sperrig ist oder zu empfindlich? Es ist schlichtweg unpraktisch.

Locko Outdoor-Wasserhahn
Wasserhähne, die im Garten oder an öffentlich zugänglichen Plätzen installiert sind, bergen die Gefahr, dass sie durch z. B. Dritte geöffnet werden und das Wasser dadurch über längere Zeit unkontrolliert fließt. Das führt nicht nur zu unnötigem Wasserverbrauch, sondern kann auch große Wasserschäden verursachen. Locko nutzt einen Zahlenverschlussmechanismus. Er bietet somit eine nutzerfreundliche und praktische Lösung an, die sich technisch sehr gut umsetzen lässt.

Produktintegration im Alltag

Produkte existieren nicht im luftleeren Raum. Wie so oft zeigt sich im Alltag, wie gut wir Dinge gebrauchen können, wie gut sie zu uns und unserem Leben passen.

Jedes Produkt besitzt immer auch eine soziale Komponente. Unabhängig davon, wie perfekt ein bestimmtes Produkt seine hauptsächliche Funktion erfüllt, muss es sich möglichst optimal in seine Umgebung integrieren. Aus diesem Grund ist es oft sehr hilfreich, das Zusammenspiel zwischen dem Produkt und verschiedenen Gegenständen zu betrachten, die in täglichen
Nutzungssituationen aufeinandertreffen.

Stellen Sie sich zum Beispiel einen USB-Stick vor: Er ist dafür konzipiert, dass man Daten leicht transportieren kann und stets bei sich hat. Einen Schlüsselbund trägt man ebenfalls häufig bei sich. Es wäre also eine durchaus praktische Einrichtung, diese beiden Dinge miteinander zu kombinieren. Einen USB-Stick, der sich bequem am Schlüsselbund befestigen lässt, hat man immer zur Hand. Kein lästiges Suchen mehr. Eine simple, aber praktische Kombination, die Zeit (und Nerven) spart.

Kompaktheit

Die kompakteste geometrische Form einer Masse ist die Kugel. Mathematisch gesehen besitzt sie das maximale Volumen bei einer gleichzeitig minimalen Oberfläche. Kein Wunder, dass alle Planeten kugelförmig sind. Sollte man deshalb alle Produkte in Kugelform gestalten? Wohl kaum.

Eine kompakte Form sollte stets perfekt auf die Funktion eines Produktes zugeschnitten sein. Gleichzeitig darf sie nicht die Realisierbarkeit vernachlässigen. Vor allem bei komplexeren Produkten hilft es, zunächst das notwendige Volumen aller Einzelkomponenten festzulegen. Anschließend kann man die einzelnen Volumen so miteinander kombinieren, dass sie sich wie bei einem Puzzle ergänzen und ein möglichst kompaktes Gesamtvolumen ergeben. Dass Kompaktheit einem Produkt zu großem Erfolg verhelfen kann, beweist das weltbekannte Schweizer Taschenmesser. Dieser charakteristische Exportschlager vereint eine Vielzahl nützlicher Funktionen auf möglichst kleinem Raum. Der Trick dabei: Dieses Messer ist deshalb so kompakt, weil man gerade nicht gebrauchte Elemente einfach einklappen kann. Ähnliche Prinzipien helfen auch bei vielen anderen Produkten, Platz zu sparen: durch Teleskopkonstruktionen, Aufklappmechaniken, Zusammenfalttechniken und andere flexible Systeme. Stellen Sie sich nur einmal kurz vor, wir könnten Regenschirme nicht zusammenfalten und auf einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Größe reduzieren. Es steht zu vermuten, dass wir des Öfteren klatschnass werden würden; einfach, weil solche Schirme nicht kompakt wären und wir sie selten bei uns hätten. Ein weiteres Beispiel für Kompaktheit im Alltag sind Stühle, die man aufeinanderstapeln kann, wenn sie nicht benutzt werden. Auch wenn dies nichts mit der reinen Funktion eines Stuhls zu tun hat, erhöht diese Möglichkeit doch die Praktikabilität des Produktes, weil sie einfach und schnell Platz spart.

Funktionskombination

Es gibt 2-in-1-Duschbäder, 2-in-1-Notebooktaschen, 2-in-1-Jacken und ungezählte 2-in-1-Varianten mehr. Zwei Funktionen in einem Produkt zu vereinen ist seit einiger Zeit verstärkt im Trend. Es lassen sich durch Funktionskombination sowohl Produktions- als auch Materialaufwand reduzieren, weil gemeinsame Bestandteile nur einmal notwendig sind.

Allerdings hat die Sache einen klitzekleinen Haken, weswegen es sicherlich noch keine Kombination aus Rasierapparaten und Mobiltelefonen, Bürostühlen und Betten oder Zahnbürsten
und Diktiergeräten gibt: Die Kombination muss Sinn machen. Die beiden Funktionen sollten miteinander verwandt sein und die Einsatzbereiche sollten sich miteinander verbinden lassen.

Bevor man zwei Funktionen in einem Produkt vereint, gilt nach wie vor der Leitspruch:
Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Die Qualität der Einzelprodukte darf nicht unter einer Kombination leiden: Zwei halbe Sachen sollten kein Ganzes werden.

Puncho
„Puncho“ ist der erste intelligente Boxhandschuh. Er unterstützt den Sportler durch das Messen der Geschwindigkeit und der Schlagkraft. Die Ergebnisse werden auf einem flexiblen OLED-Bildschirm angezeigt. Durch eine speziell dafür entwickelte App kann man nicht nur seine eigene Leistung im Überblick behalten, sondern auch die Werte mit den Ergebnissen der anderen Sportler vergleichen.

Leichte Reinigung

Zum Glück ist unsere Welt nicht so steril wie in zahlreichen Designerkatalogen. Aus diesem
Grund sehen manche Produkte schon nach kurzer Zeit nicht mehr so glanzvoll wie beim Einkauf aus. Sich bereits im Vorfeld bei der Gestaltung den Nutzungsalltag vorzustellen, kann für
Abhilfe sorgen.

Generell sollte man auf folgende Punkte achten:

Oberflächen
Unnötige Unebenheiten vermeiden.
Auf einer glatten Fläche sammelt sich weniger Schmutz, und sie lässt sich außerdem leichter
reinigen. Dekorative Vertiefungen wie Rillen, Schlitze, Löcher, Poren, Wellen ziehen leider nicht nur die Blicke, sondern auch Staub an. Ein Beispiel: Die Griffe vieler Zahnbürsten haben markante Rillen. Griffsicherheit soll hier suggeriert werden: eine Scheinfunktion, um sich von den Mitbewerbern abzusetzen. Es stellt sich einem die Frage, wie ganze Generationen von Men-schen vor dem innovativen gerillten Zahnbürstengriff überhaupt in der Lage waren, sich die Zähne zu putzen, ohne täglich haltlos abzurutschen? Doch statt den Händen eifriger Zähneputzer geben diese Rillen vor allem den Zahnpastarückständen Halt. Seien Sie sicher: Auch ohne Rillen rutscht Ihnen eine Zahnbürste nicht aus der Hand.

Finishing
Dem Schmutz keine Chance.
Beobachten Sie einmal unauffällig Besitzer von Smartphones mit Hochglanzgehäusen.
Energisches Wischen mit dem Ärmel markiert hier das eher hilflose Bemühen, das gute Gerät von den Fingerabdrücken zu befreien. Dumm nur, dass man bei jeder Berührung sofort wieder neue Abdrücke hinterlässt. Mit einer sandgestrahlten, matten Oberfläche lässt sich dieser Nachteil leicht vermeiden. Zudem helfen schmutzabweisende Finishings, Produkte lange
attraktiv zu halten.

In einigen Fällen hilft auch der sogenannte Lotuseffekt. Dieser bewirkt, dass Schmutz von Oberflächen einfach „abperlt“. Das bei der asiatischen Lotuspflanze entdeckte Prinzip wird unter anderem auch eingesetzt, um Kleidung, Autolacke und eine Vielzahl anderer Oberflächen sauber zu halten, unter anderem Glasfassaden von Bürogebäuden.

Farben und Material
Angemessenes Äußeres.
Ganz in Weiß gekleidet seinen Keller aufzuräumen ist, gelinde gesagt, unpraktisch. Auf Produkte übertragen, gilt das Gleiche. Die Bereiche, die mit Schmutz in Kontakt kommen, sollten speziell darauf abgestimmt sein. Dunklere Farbtöne absorbieren Verschmutzungen optisch und machen sie quasi unsichtbar. Möglichst ebene Oberflächen sorgen dafür, dass sich Schmutz oder Staub gar nicht erst absetzen können. Das Anbringen von zusätzlichen Beschichtungen kann zudem verhindern, dass Fremdpartikel in die Materialoberfläche eines Produktes eindringen und die Optik nachhaltig beeinträchtigen.   

Mit anderen Worten:
Ein Produkt sollte nicht nur frisch vom Werk gut aussehen, sondern auch noch nach Jahren.

 

Ergonomie

Produkte sollten komfortabel zu nutzen sein. Die Ergonomie sorgt als Wissenschaft für eine Optimierung der Bedienbarkeit von Geräten. Das Wort kommt von ergon (griechisch für Arbeit, Werk) und nomos (griechisch für Gesetz, Regel).

Wenn man davon ausgeht, dass die meisten Produkte für uns Menschen produziert werden und nicht umgekehrt, sollte es logisch sein, dass die Geräte an unsere Bedürfnisse angepasst werden – und nicht andersherum. Bei vielen Produkten hat man diesen Eindruck jedoch leider überhaupt nicht. Warum? Entweder werden die Aspekte der Ergonomie gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt oder die Produkte werden schlicht und einfach auf die „breite Masse“ ausgerichtet, da eine feinere Abstimmung wirtschaftlich nicht lukrativ genug erscheint. Schlechte Zeiten für Individualisten also ...
Da der Mensch nicht nur aus Fleisch und Blut besteht, sondern auch einen Geist sein Eigen nennt, muss die Ergonomie in zwei Arten eingeteilt werden – eine physische und eine mentale.

Handycan
Die zusammenfaltbare Form macht das Recycling von Getränkedosen einfacher. Das minimiert nicht nur die Transportkosten zur Recyclingstation, sondern auch die Lagerkosten im Vorfeld. Tiefe und Radius der Rillen auf der Außenfläche der Dosen sind dabei den durchschnittlichen Maßen von menschlichen Fingern angepasst – für eine angenehmere Handhabung und einen besseren Halt.

Physische Ergonomie

Hier steht klar die menschliche Anatomie im Vordergrund. Die physische Ergonomie berücksichtigt das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine und optimiert Nutzung und Bedienung von Produkten. Wenn Sie sich nur zehn Menschen aus Ihrem Bekanntenkreis vorstellen, erkennen Sie schnell, dass es ein durchaus schweres Unterfangen ist, es allen recht zu machen. Auch wenn es also kein Patentrezept gibt: Folgende Methoden helfen dennoch, eine optimale Ergonomie zu erzeugen.


Anpassung am Durchschnitt

Passt oft – oft auch nicht.
Diese Methode funktioniert bei vielen Produkten recht gut. Sie hat allerdings auch Nachteile, da es immer Menschen gibt, die vom Durchschnitt abweichen. Daher sind diese Lösungen nicht für jeden Nutzer optimal. Nur ein Beispiel: In der Autoindustrie ist das Interior weltweit auf einen Mittelwert von 1,70 m festgelegt. Das entspricht der durchschnittlichen Körpergröße auf der ganzen Erde. Zu dumm nur, dass die Menschen im mittel- und nordeuropäischen Raum etwas größer ausfallen, hier liegt der Mittelwert bei rund 1,84 m. Allerdings würde eine Anpassung an diese Menschengruppe die Verkaufszahlen in Asien, Nord- und Südamerika reduzieren. Sogar die deutschen Hersteller halten sich nicht an Durchschnittsgrößen der eigenen Landsleute.


Verstellbare Konstruktionen

Besser, aber teurer.
Bei dieser Strategie wird der Unterschied zwischen den einzelnen Nutzern eines Produktes berücksichtigt. Ein gutes Beispiel sind die höhenverstellbaren Monitore: Jeder User kann den Bildschirm auf seine eigene Oberkörpergröße einstellen. Sehr oft verzichten die Produzenten jedoch auf diese Methode, da sie, wie schon weiter oben beschrieben, zusätzliche Kosten verursacht. Stattdessen konzentrieren sich die Hersteller auf den Durchschnittswert und verzichten ganz bewusst auf die zahlenmäßig kleinere Zielgruppe, die davon abweicht. Ab wann eine flexible Konstruktion Sinn macht, hängt stark davon ab, wie umfassend sich die Zielgruppe mit dem Durchschnittswert abdecken lässt und wie teuer die Realisierung einer justierbaren Lösung ist.


Flexible Lösungen

Natürlich individuell.
Bei dieser Herangehensweise werden flexible Werkstoffe und intelligente Konstruktionen genutzt, um Produkte automatisch an verschiedene Gegebenheiten anzupassen. Das spart viel Zeit und Mühe bei der Einstellung. Die Anpassung erfolgt meist stufenlos. Viele gute Beispiele haben ihren Ursprung in der Natur und sind in der Bionik entwickelt worden. Der stufenlosen, individuellen und automatischen Anpassung nach natürlichem Vorbild gehört vermutlich die Zukunft in der Ergonomie.

Mentale Ergonomie

Dieser Bereich ist weit weniger erforscht als die physische Ergonomie. Auch hier gibt es keine maßgeschneiderten und allgemeingültigen Patentlösungen für jedes Produkt. Wie wir Menschen Informationen verarbeiten, wird zum Beispiel in der Wahrnehmungs- und Kognitionspsychologie untersucht. Da oft ein erheblicher Unterschied zwischen dem besteht, was die Sinnesorgane eines Menschen erfassen, und dem, was er anschließend tatsächlich wahrnimmt, ist mentale Ergonomie mindestens ebenso wichtig wie physische Ergonomie. Ein einfaches Beispiel: Obwohl beim Betrachten eines Laubbaumes auf der Netzhaut des Auges tausende Blätter projiziert werden (es sei denn, es ist gerade Winter), nimmt der Mensch diese nicht alle einzeln wahr, sondern sieht den Baum als Ganzes. Bei der Erzeugung einer optimalen mentalen Ergonomie helfen besonders Ergebnisse aus der Gehirnforschung. Sie werden unter anderem oft im Bereich Interfacedesign angewendet.

Eine praktische Anwendung für mentale Ergonomie

Stellen Sie sich vor: Sie müssen eine Zahl zwischen 0 und 12 nicht als Zahl, sondern in Form von Balken darstellen. Kleinere Mengen bis 4 oder 5 lassen sich grafisch gut und fehlerfrei darstellen.

Bei größeren Mengen beginnen sich die Fehler zu häufen, die Fehlerquote steigt überproportional zur visualisierten Zahl. Unterteilt man die Mengen allerdings in kleinere Gruppen, liefert das eine gute Übersicht und ermöglicht ein schnelleres und fehlerfreies Ablesen. Dieses simple Prinzip macht sich zum Beispiel die Uhr NEOLOG zunutze. Sie visualisiert Zeit in ihrer natürlichen Form. Trotz minutengenauer Darstellung wirkt der angezeigte Moment gegenständlich. Die Uhrzeit ist in Stunden, Zehner- und Einerminuten unterteilt. Dank der Dreiergruppen liest man die Zeit besonders schnell. Einmal gelernt, vermittelt die neue Anzeige ein ungewohnt plastisches Gefühl für Zeit.

Neolog
Die Zeit wird in Mengen dargestellt, ohne abstrakt zu werden. Die Wahrnehmung der neologen Anzeige ist plastisch wie bei einer Sanduhr, aber zudem präzise und schnell erfassbar. Abgebildete Zeit: 6:24 Uhr.

Sind vor der mentalen Ergonomie alle Menschen gleich? Nein. Viele unserer Eigenschaften haben sich durch tausende Jahre Evolution entwickelt. Menschen auf dem ganzen Planeten sind deshalb in vielen Punkten „gleich“. Trotzdem bietet sich auch beim Aspekt der mentalen Ergonomie eine flexibel verstellbare Gestaltung an. Denn jeder Mensch ist immer auch ein Konstrukt aus ganz persönlichen Erfahrungen, und die kann keine Studie der Welt erfassen – sie kennt nur jeder Einzelne selbst. Die Wurzeln liegen in individuellen Erlebnissen und kulturellen Hintergründen. Zumindest der kulturelle Aspekt lässt sich relativ gut berücksichtigen. Stellen Sie sich vor: Sie gestalten einen Esstisch für den asiatischen und orientalischen Markt. Hierbei wäre es sicherlich gut zu wissen, dass die Menschen in diesem geografischen Raum beim Essen lieber auf dem Boden sitzen. Die Berücksichtigung des ganz persönlichen Verhaltens jedoch ist im Allgemeinen viel schwieriger zu ermitteln – es lässt sich allenfalls erahnen. Neben üblichen Einstellungsmöglichkeiten hilft hier die nachträgliche, flexible Anpassung an die Vorlieben des Nutzers. Dazu bedarf es der Mess- und Regelungstechnik, die das individuelle Verhalten erfasst und das System (und damit die Gestaltung) adaptiert. Ein gutes Beispiel hierfür sind Musik-Streaming-Apps. Diese kleinen Programme lernen im Laufe der Zeit immer mehr über den Musikgeschmack und die Gewohnheiten der Nutzer. Dadurch können sie ndividuelle Playlisten erstellen und neue oder ähnliche Musikstücke vorschlagen. Gut möglich, dass Apps uns schon bald besser kennen als wir uns selbst ...

Die Texte sind Auszüge aus dem Buch "360° Industrial Design" von dem Autor Arman Emami, erschienen 2014, niggli Verlag