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Ökologie

Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit

Viele kleine Tropfen bilden das große Meer.

Persische Redewendung

 

Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit werden häufig als zwei Gegensätze gesehen. Doch stellt sich die Frage, ob man hier nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann. Eine durchdachte Gestaltung, die zur Reduzierung des Materialaufwands führt und die Ökobilanz positiv beeinflusst, spart Kosten, entlastet die Umwelt und schont Ressourcen.


Reduzierung von Materialaufwand

Die Verantwortung der Produktdesigner ist groß. Gerade wenn es um hohe Stückzahlen geht, summieren sich auch kleinste Mengen zu beachtlichen Zahlen. So machen zum Beispiel 10 g unnötig verwendetes Material bei einer Serienproduktion von 100.000 Stück einen Materialverlust von 1 t aus! Dabei gibt es einfache Methoden, die den Materialaufwand reduzieren, ohne dass es zulasten der Stabilität und Langlebigkeit geht.


Ideale Form

Stellen Sie sich bitte vor, Sie müssen für ein Unternehmen, das Ravioli produziert, eine Blechdose gestalten. Diese soll ein vorgegebenes Volumen haben – sagen wir 0,5 l. Außerdem soll diese Dose produktionsbedingt die Form eines Zylinders besitzen. Es gibt fast unendlich viele Möglichkeiten, diese Aufgabe zu realisieren. So kann die Dose zum Beispiel breit und flach gestaltet werden oder aber schmal und dafür besonders hoch.
 
Alle drei Zylinderformen in der Grafik fassen das vorgegebene Volumen von 0,5 l. Dabei hat die mittlere Form die geringste Oberfläche und daher den geringsten Materialverbrauch. Im Gegensatz zu den beiden Alternativen ist für die mittlere Dose rund 20 % weniger Material nötig. Sicher macht das bei einer einzelnen Dose lediglich ein paar Gramm aus. Aber bei einem Produktionsvolumen von einer Million Ravioli-Dosen pro Jahr kommen schnell ein paar Tonnen Metall zusammen.

Natürlich können wir nicht alle Produkte nach diesem Prinzip produzieren. Inhalte sind leider nicht immer so flexibel in ihrer Form wie Ravioli. Dennoch lässt sich feststellen:

Es gibt für fast jede geometrische Form ein ideales Verhältnis von Fläche und Volumen.

Bei dieser bestmöglichen Konstellation wird ein Minimum an Material benötigt, um ein bestimmtes Volumen zu erreichen. Dieses ideale Verhältnis kann mathematisch durch eine relativ einfache Extremwertberechnung ermittelt werden. Das Gute daran: Dieses Prinzip lässt sich für viele Produkte, die uns umgeben, adaptieren. Zum Beispiel auf einen Einwegbecher, wie er in Flugzeugen täglich millionenfach verteilt wird. Mithilfe einer perfekten Form lässt sich tonnenweise Kunststoff sparen, ohne dass die Passagiere weniger zu trinken bekommen.

Im Gegenteil, dank der niedrigeren und breiteren Becherform ist sichergestellt, dass der Orangensaft oder die Cola im Magen und nicht auf der Hose der Passagiere landet. Die ideale Form ist nicht nur ressourcenschonend, sondern – ganz nebenbei – wesentlich kippsicherer als die herkömmliche Becherform.

Und jetzt stellen Sie sich bitte einmal vor, wie groß das Einsparpotenzial bei größeren Produkten sein könnte.

Die folgenden Grafiken auf der nächsten Seite zeigen die Idealformen bei einigen unterschiedlichen geometrischen Formen.

Natürlich ist der Formfindungsprozess um einiges komplexer als hier beschrieben. Denn bei der Bestimmung der Idealform gilt es auch, eine Vielzahl weiterer Punkte zu beachten, wie etwa die Ergonomie oder gesetzliche Bestimmungen. Hinzu kommt, dass viele Produkte komplexer sind. Computer, MP3-Player oder Wäschetrockner beinhalten beispielsweise mehr Komponenten, die bedacht werden müssen. Um das Prinzip der idealen Form auch bei solchen Produkten anzuwenden, empfiehlt es sich, zunächst von den festgelegten Inhalten auszugehen. Welche Komponenten lassen sich in ihren Dimensionen nicht gut variieren? Welche Mindestgrößen sind erforderlich? Welche ergonomischen Aspekte sind zu berücksichtigen? Sind diese Konstanten ermittelt, lässt sich eine grobe Gesamtform bestimmen, welche die definierten Anforderungen erfüllt und annähernd die ideale Form hat, die den geringsten Materialaufwand erzeugt. Das dürfte Produzenten und Umweltaktivisten zugleich erfreuen.

 

Bei gleichem Volumen besitzt b 12 % weniger Oberfläche als a und verbraucht somit 12 % weniger Material.

 

Oberflächen Effizienz (OE)

Um die Unterschiede geometrischer Formen aufzuzeigen und eine plastische Vorstellung vom Verhältnis Volumen zu Oberfläche zu bekommen, ist ein Vergleichsmaßstab hilfreich. Damit lässt sich auf einen Blick erkennen, wie hoch der Materialaufwand ist und welche Form am meisten Ressourcen schont. Erinnern wir uns an das Kapitel 2 zum Thema Kompaktheit, hier hieß es: „Die kompakteste geometrische Form einer Masse ist die Kugel. Mathematisch gesehen besitzt sie das maximale Volumen bei einer gleichzeitig minimalen Oberfläche.“

Das heißt, um ein bestimmtes Volumen zu verpacken, erfordert die Kugelform die geringste Oberfläche. Also nehmen wir sie als „das Maß der Dinge“ und vergleichen andere Formen mit ihr. Nennen wir das Verhältnis zwischen dem Kugelvolumen und der Kugeloberfläche: Geometrische Effizienz. Mit der Einheit Oberflächen Effizienz lässt sich gut abschätzen, wie effizient geometrische Formen gestaltet sind. Als Vorbild bietet die Kugelform den Maximalwert 1.

Je näher eine geometrische Form an den Wert 1 herankommt, desto weniger Oberfläche besitzt die Form bei konstantem Volumen – je näher sich eine geometrische Form dem Wert 0 nähert, desto mehr Oberfläche und Material sind nötig, um das Volumen abzubilden. Das Schöne an dem Gesetz der idealen Form: Es gilt nicht nur im dreidimensionalen Bereich. Auch im 2-D-Bereich gibt es eine ideale Form. Dazu ein Beispiel: Will man eine möglichst große Grundfläche einzäunen und dabei so wenige Meter Zaun wie möglich verbrauchen, gibt es nur eine Antwort – einen Kreis. Um eine gleich große Fläche quadratisch einzuzäunen, würde man 13 % mehr an Zaunmaterial verbrauchen. Sollte man also in Zukunft runde Häuser und Grundstücke konzipieren? Ganz so einfach ist es leider nicht. Hilfreich ist, sich einmal in der Tierwelt umzuschauen: bei den Bienen. In einem Bienenstock wohnen im Sommer rund 70.000 Bienen samt Königin auf engstem Raum. Und da Bienen nicht nur fleißig, sondern äußerst effizient sind, haben sie natürlich auch in Sachen Materialeffizienz die Fühler vorn. Bienen brauchen allein für das Bauen einer einzigen Wabe oft mehrere Tage, daher macht es Sinn, sparsam zu bauen. Nun stellt sich die Frage, warum die Waben eines Bienenstocks nicht rund sind, wo ein Kreis doch die ideale Flächenform hat. Der Grund ist, dass sich kreisförmige Flächen nicht nahtlos aneinanderreihen lassen, dass keine kleinen Zwischenräume entstehen. Sobald Kreisformen aufeinandertreffen, bleiben stets Bereiche außen vor. Laut Platon gibt es grundsätzlich nur drei geometrische Formen, die sich lückenlos aneinanderparkettieren lassen (Dreieck, Viereck und Sechseck). Zwischen den drei Möglichkeiten hat allerdings ein Sechseck das beste Verhältnis zwischen Fläche und Umfang. Sechseckige Wabenformen lassen sich perfekt ineinander verschachteln und benötigen dennoch wenig Material. Bei quadratischen Waben bräuchten die Bienen für die gleiche Grundfläche 10 % mehr Wachs, bei dreieckigen Waben wären es sogar ganze 25 % mehr.

 

Ideale Statik

Die Ermittlung der einzelnen Belastungen ist die Grundlage, um Produktbestandteile zu dimensionieren. Die Statik bestimmt die notwendigen Materialeigenschaften, den Materialaufwand sowie die gesamte Konstruktion. Dank ihr hält ein Produkt den funktionsbedingten Belastungen stand.
 
Durch eine intelligente Konstruktion kann man bei gleichen Materialeigenschaften den Materialaufwand reduzieren. An dieser Stelle denken viele Designer, dass dies eine Aufgabe der Ingenieure sei, da ihre Entwürfe von Technikern geprüft werden, bevor sie in Produktion gehen. Das stimmt nur zum Teil. Entscheidet sich ein Designer aus Unwissenheit für eine ungünstige Form, können Ingenieure zwar noch nachbessern, sodass ein Produkt den statischen Anforderungen doch noch entspricht. Das Schlechte daran ist die Lösung, sie ist einfach nicht optimal. Sicherlich sollten Designer nicht im Vorfeld die Aufgaben der Ingenieurteams übernehmen. Auch sollten die Techniker keinesfalls plötzlich zu Designer mutieren. Es geht vielmehr darum, dass Gestalter bereits beim Entwurf statische Anforderungen berücksichtigen. Wenn Techniker im Nachhinein versuchen, aus einem Esel ein Rennpferd zu machen, wird er kein Arabisches Vollblut – bestenfalls ein Rennesel. Die ideale Form erhält man, wenn sich bereits die Gestaltung an einer Konstruktion orientiert, welche die Funktion und die Belastung berücksichtigt. Ansonsten müssen die Ingenieure, statt lediglich einzelne Feinkorrekturen vorzunehmen, die gesamte Gestaltung ändern. Das dürfte nicht im Sinne des Erfinders sein und sorgt nur für unnötige Mehrarbeit. Durch klassische analytische Methoden lässt sich schon in der ersten Entwurfsphase herausfinden, ob ein neues Produkt in der Praxis übliche Belastungen auf Dauer zuverlässig aushält. Moderne Verfahren wie die Finite-Elemente-Methode (FEM) helfen zusätzlich bei der Produktentwicklung. Betrachten wir das Thema Statik an einem einfachen Beispiel: Stellen Sie sich bitte vor, Sie sollten einen neuen Kleiderbügel gestalten. Dann hilft es, sich die folgenden Fragen zu stellen: Wie sehen die Belastungen aus? Welche Kräfte wirken auf den Bügel? Was muss er aushalten?

 

Swan
Durch die Drehung ist der Bügel stabil und komfortabel, das Material wird perfekt ausgenutzt, Form und Statik sind ideal.

 

Reduzierung des Produktionsaufwands  

Zeit ist Geld, Energie auch. Nicht nur der Materialaufwand wird durch das Design vorgegeben, auch das Produktionsverfahren wird sehr oft durch die Art der Gestaltung und die Auswahl des Werkstoffs bestimmt.
 
Designer entscheiden also maßgeblich mit, wie viel Zeit und Energie zur Herstellung eines Produktes benötigt werden. Eine durchdachte Gestaltung sorgt also unter anderem dafür, dass weniger CO2 emittiert wird und der CO2-Fußabdruck kleiner ausfällt. Welches Verfahren sich am besten eignet, hängt vom Material, der Form und der Stückzahl ab.

Material

Schneller in Form bringen.
Ein wichtiges Kriterium bei der Materialauswahl ist, wie gut sich ein Werkstoff in Form bringen lässt. Durch die Verarbeitbarkeit bestimmt ein Material zu einem großen Teil mit, wie aufwendig die Produktion wird. Viele Materialien lassen sich durch Gießen formen, andere nur durch Fräsen – wieder andere Materialien kann man am besten durch Tiefziehen in Form bringen. Wichtig ist auch zu wissen, ob nach dem eigentlichen Formprozess eine Nachbearbeitung nötig ist und wie viele Arbeitsschritte dafür zusätzlich aufgewendet werden müssen.

Form

Perfekt bis ins kleinste Detail.
Selbstverständlich spielen bei der Formfindung weitaus mehr Faktoren eine Rolle als das passende Produktionsverfahren. Allerdings kann das Berücksichtigen der möglichen Techniken die Produktionskosten deutlich reduzieren. Es macht Sinn, die Anforderung an die Form bereits im Vorweg zu definieren und anschließend den Entwurf „produktionsgerecht“ zu optimieren. Dabei ist es wichtig, dass sämtliche Zugeständnisse an eine möglichst wirtschaftliche Produktion nicht zulasten anderer wichtigerer Faktoren gehen, wie zum Beispiel der Ergonomie oder auch der Ästhetik des Entwurfs. Hierbei gilt wie so oft im Leben das bewährte Prinzip: kleine Ursache, große Wirkung. Meist sind es bereits minimale Veränderungen, die eine Form „gussgerecht“ machen oder dafür sorgen, dass sich die Bestandteile unkompliziert „tiefziehen lassen“. Schon eine grobe Übersicht über die Machbarkeit hilft, Optimierungen an der Form zu berücksichtigen, ohne dass die Optik „leidet“. Eine optimale Form sorgt außerdem dafür, dass weniger Ausschuss produziert wird, weil sie mögliche Fehlerquellen von vornherein reduziert. Damit sinkt der Fehlerquotient eines Produktes. Diese bezeichnet, wie häufig Fehler in der Produktion auftreten. Wenn zum Beispiel von zehn Produkten nur eines zu beanstanden ist, spricht man von einem Fehkerquotienten von 10 %.

Stückzahl

Maschinelle Machbarkeit.
Dieser Faktor ist von Designern am wenigsten zu beeinflussen. In den meisten Fällen gibt es zu der maschinellen Produktion keine echte Alternative. Da nützt selbst der schönste Entwurf nicht viel, wenn er nicht in größerer Stückzahl produzierbar ist. Gut zu beobachten ist dies zum Beispiel bei Entwürfen vieler Autohersteller: Atemberaubende, futuristische Formen werden hier möglichst spannend auf Messen drapiert, um dann später in gezähmter (und produzierbarer) Form auf unseren Straßen zu rollen. Dieser mehr oder minder starke „Feinschliff“ des Designs ist oft auch ein Zugeständnis an die Produzierbarkeit. Kleinere Stückzahlen bieten aber auch Vorteile: Als Designer genießt man mehr Freiheiten, weil aufwendigere und extravagantere Produktionsverfahren infrage kommen.

 

Shah & Shah
Die typisch grafische Abbildung eines Schachbretts ist aus Schachbüchern und –magazinen bekannt. Dabei haben sich die Piktogramme, die die jeweiligen Figuren symbolisieren, im Laufe der Jahre bei vielen Menschen eingeprägt und sind Schachfreunden vertraut. Sie sind auf das Wesentlichste reduziert und erleichtern dadurch die Vorstellung einer Szene bzw. helfen dem Spieler, den Überblick über das Gesamtszenario zu bewahren. Das neue Designkonzept greift diese Reduziertheit auf und zeigt ein Schachbrett, das ohne ablenkende Details auskommt. Die einfachen, einheitlichen Figuren erzeugen einerseits Ruhe und Harmonie und verringern auf der anderen Seite die Produktionskosten. Zudem lassen sie sich leicht reinigen. Anstatt des Schachbretts wird eine weiche Kunststoffmatte aus Silikon verwendet, die sich leicht einrollen und gut in die zylinderförmige Verpackung legen lässt.

 

Reduzierung der Einrichtungskosten

Für jeden neuen Arbeitsschritt müssen Maschinen eingerichtet werden. In dieser Zeit stehen „die Bänder still“, es kann nichts produziert werden. Die Gestaltung bestimmt, neben der Art des Herstellungsverfahrens, auch maßgeblich mit, wie komplex und aufwendig die Werkzeugeinrichtung für eine Produktion ist. Drei goldene Regeln helfen, Einrichtungskosten zu minimieren:
   
• Klarheit: Eine einfache Form lässt sich meist einfacher produzieren.
• Reduzierung: Weniger Bestandteile reduzieren den Einrichtungsaufwand.
• Einheitlichkeit: Einheitliche Elemente erfordern lediglich eine Einrichtung.

Wie sich der Einrichtungsaufwand eines Produktes sinnvoll reduzieren lässt, zeigt das Design
eines Schachbretts: Jeder, der mit dem beliebten Spiel vertraut ist, kennt seine typische Oberfläche. Die aus den Schachbüchern bekannten Grafiken der einzelnen Figuren haben sich im Laufe der Jahre gut eingeprägt. Bei dem Schachspiel Shah & Shah sind die Charaktere der Figuren auf das Wesentliche reduziert: als Piktogramme auf zylinderförmigen Körpern. Spieler haben, sogar mehr als wie bei einem herkömmlichen Schachspiel, stets den Überblick. Die einfachen und einheitlichen Figuren lenken weniger ab, sie helfen, sich voll und ganz auf das Spiel zu konzentrieren. Und sie sparen zudem Produktionskosten. Die vereinheitlichte Formensprache benötigt für die Darstellung von Dame, Turm, Springer, Läufer und Bauern nur noch zwei Formen, statt wie bisher sechs. Durch das neuartige Design reduziert sich der Einrichtungsaufwand um fast 66 %. Da das Schachbrett kein Brett ist, sondern eine weiche Silikonmatte, lässt es sich bequem einrollen und in der zylinderförmigen Verpackung verstauen. Gegenüber konventionellen Schachbrettern mit Scharnieren und kleinteiligen Verschlussmechanismen spart man durch das neue Design spürbar Produktionskosten. Angenehmer Nebeneffekt:
Durch die eigenständige Form sticht das Schachbrett aus der Masse heraus – ein Alleinstellungsmerkmal, über das sich nicht nur Marketing- und Vertriebsmitarbeiter freuen dürften.

Reduzierung der Montagekosten

Die Optimierung der Produktionskosten geht oft Hand in Hand mit den Prinzipien guter Gestaltung. Ein wesentlicher Designgrundsatz zum Beispiel ist, bei einem Design nicht zu viele unterschiedliche Formen zu verwenden. Genau dieser Punkt spielt bei der Reduzierung von Montagekosten eine wichtige Rolle. Eine effizient produzierbare Gestaltung kann also durchaus ein praktisches „Nebenprodukt“ professioneller Entwürfe sein.

Nachhaltigkeit und Obsoleszenz

Die Aussage, dass heutzutage jede Menge Müll produziert wird, ist richtig. Leider sogar in zweifacher Hinsicht. Zum einen sind viele Geschäfte voll mit Billigprodukten, welche die Welt nicht braucht. Oft wurde bei ihnen gleich das Design mit eingespart. Zum anderen gibt es eine Menge Produkte, die sich nach einer bestimmten Zeit selbst in Müll verwandeln – sie funktionieren plötzlich nicht mehr. Produkte verweigern ihre Arbeit; nicht nur weil etwa ein Bauteil durch
Verschleiß defekt wurde, sondern manchmal sogar ganz gewollt. Diesen Vorgang bezeichnet man auch als Geplante Obsoleszenz. Dazu ließe sich feststellen: Hätte es diese „Errungenschaft der Moderne“ schon im Antiken Rom gegeben, wäre das berühmte Kolosseum bereits nach ein paar Jahren wieder in sich zusammengefallen und man hätte ein neues bauen müssen. Mit Nachhaltigkeit hat das alles nichts zu tun.   

Der Begriff Obsoleszenz bezeichnet das Veralten eines Produktes. Dieses kann auf natürlichem Weg erfolgen oder auch auf künstliche Weise. Man unterscheidet verschiedene Arten der Obsoleszenz, hier die wichtigsten:

Geplante Obsoleszenz

Diese Art ist oft Bestandteil einer Marketingstrategie. Bereits bei der Herstellung werden Schwachstellen eingeplant, um so die Lebensdauer eines Produktes „überschaubar“ zu halten und dafür zu sorgen, dass der Kunde möglichst schnell ein neues Produkt erwirbt. Auch das Einkalkulieren von Abnutzungen dient dazu, beim Kunden den Wunsch nach einem neuen,
makellosen Produkt zu wecken. 

Funktionelle Obsoleszenz

Lässt sich ein Produkt aufgrund von aktuellen Anforderungen nicht mehr voll nutzen, spricht man auch von funktioneller Obsoleszenz. Beispielsweise kann das Betriebssystem eines Rechners obsolet werden, wenn eine neue, dringend benötigte Software nicht mehr einwandfrei damit funktioniert. Die gleiche Funktionelle Obsoleszenz kann zum Beispiel auch bei Druckern auftreten, für die es keine passenden Ersatzteile mehr gibt.

Psychische Obsoleszenz

Bei dieser Art der Obsoleszenz veraltet ein eigentlich noch voll funktionsfähiges Produkt in der Wahrnehmung des Kunden, weil es nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Es ist nicht mehr up to date. Dieses Phänomen lässt sich unter anderem bei den häufig wechselnden Modetrends beobachten. Auch technische Weiterentwicklungen bewirken eine Psychische Obsoleszenz, wie etwa der Wechsel von der Analog- zur Digitalfotografie. Oder nehmen wir das Beispiel Mobilfunk: Die Weisheit, dass nichts so alt ist wie die Nachricht von gestern, lässt sich heute auch gut auf das Nutzen von Handys übertragen. Obwohl ihr „altes“ Gerät noch gut funktioniert, holen sich viele Menschen schon nach kurzer Zeit ein neues, vermeintlich „besseres“.

Obsolete Obsoleszenz

Auch wenn sich durch den geplanten Einsatz der Obsoleszenz der Absatz sicher steigern lässt, darf Wachstum um jeden Preis nicht die Basis einer guten Gestaltung sein. Hier sollte vor allem eines gelten: Qualität vor Quantität.

Trotz der Tatsache, dass wir heute viele Materialien recyceln können, benötigen wir dafür eine Menge Energie, die anders wesentlich besser verwendet werden könnte. Zudem lassen sich längst nicht alle Materialien wiederverwerten, wie man am Beispiel der sogenannten Gewürzmetalle gut sehen kann. Hier handelt es sich nicht etwa um mit Chili verfeinerte Stahlarten, vielmehr bezeichnet der Begriff eine Reihe seltener Metalle, die so gut wie gar nicht zu recyceln sind. Zu den Gewürzmetallen gehören unter anderem Molybdän, Niob oder Indium. Sie sind bei vielen Prozessen unverzichtbar, ihr Fehlen kann komplette Produktionsabläufe lahmlegen. Besonders innovative Branchen benötigen Gewürzmetalle, unter anderem für Brennstoffzellen, Computer, Hybridfahrzeuge oder Solarzellen.  

Die beste Lösung lautet daher: weniger Müll produzieren.

Früher hat man ein Rasiermesser das ganze Leben verwendet, das gute Stück wurde mit viel Liebe und Leidenschaft gepflegt und von Generation zu Generation weitergegeben. Der Trend zu Einwegartikeln begann im großen Stil in den 1950er-Jahren, was uns unter anderem Einwegrasierer aus buntem Plastik im 20er-Pack bescherte. Auch wenn natürlich niemand die Zeit komplett zurückdrehen will und wieder morgens vorm Rasieren zunächst einmal zehn Minuten lang sein Rasiermesser schärfen möchte – ein vernünftiger Mittelweg ist dennoch sinnvoll. Denn: Der Weg in die Zukunft ist kein „EinWeg“! Geplante Obsoleszenz ist ein irrer Gedanke und sollte in den kommenden Jahren aus den Planungen der Unternehmen verschwinden. Er war niemals zeitgemäß und wird es auch nie sein. Der rücksichtslose Drang, die Verkaufszahlen „auf Teufel komm raus“ zu erhöhen, belastet nicht nur unsere Umwelt, er schwächt vielmehr auch das Vertrauen der Verbraucher in die Marke. Was also zunächst den wirtschaftlichen Erfolg erhöht, könnte zum Bumerang werden, empfindliche Einbußen nach sich ziehen und sogar das Ende einer Marke besiegeln.

Das Umweltbewusstsein der Verbraucher und der Gesellschaft wächst stetig. Die Zeiten der „Schnellimbiss-Mentalität“ neigen sich dem Ende zu. Durch unabhängige Kontrollmöglichkeiten wie Testorganisationen oder durch Foren im Internet wird die Qualität von Produkten immer transparenter. Unternehmen, die das schnelle Geld auf Kosten der Umwelt und auf dem Rücken der Verbraucher machen, werden langfristig keine Chancen mehr auf dem Markt haben. Zumindest bleibt das zu hoffen. Ein positives Signal sendete zum Beispiel Warner Philips, Enkel des Gründers des bekannten Philips Elektronikkonzerns. Er entwickelte mit seiner Firma Lemnis Lighting eine neue LED-Glühlampe, die eine rund 25-mal höhere Lebensdauer hat als normale Glühlampen – und dabei bis zu 90 % effizienter war. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass im Jahre 1924 das sogenannte Phoebuskartell, eine Vereinigung der international führenden Glühlampenhersteller, die geplante Lebensdauer von Glühlampen absichtlich auf eine Brenndauer von nur 1.000 Stunden begrenzte, obwohl schon damals eine längere Brenndauer möglich war. Es fanden regelmäßige Tests statt, um die Limitierung der Brenndauer penibel einzuhalten. Kartellmitglieder, deren Glühlampen länger als 1.000 Stunden brannten, wurden mit drastischen Strafen sanktioniert. Auch wenn das Kartell 1941 offiziell aufgelöst wurde, hat sich die Idee dahinter weiter verbreitet, als einem lieb sein kann.

Doch zurück zu positiveren Dingen:
Um Produkte langlebig zu gestalten, sollte man ihre Funktion langfristig beobachten. Tests mit Dauerbelastungen zeigen, welche Schwachstellen bei einem Produkt auftreten. Es reicht eben nicht, wenn eine Matratze einmal guten Rückenhalt gibt, sie sollte das möglichst viele Tausend Mal tun. Dazu muss man keine Testschläferteams engagieren, derartige Tests können auch sehr gut durch Computersimulationen oder Maschinen übernommen werden.
Sind die Schwachstellen diagnostiziert, können sie durch eine gezielte Optimierung der Konstruktion oder des Materials behoben werden. Generell sind hochwertige Materialien bestens geeignet, den Benutzer in seinem Kauf immer wieder zu bestätigen und das Vertrauen zur Marke zu stärken. Eine weitere Möglichkeit, Produkte möglichst langlebig zu gestalten, ist, die Verschleißteile austauschbar zu machen. Schließlich verschrotten Sie auch nicht gleich Ihr neues Auto, wenn dessen Bremsbeläge zum ersten Mal herunter sind. Was an dieser Stelle nach einer Selbstverständlichkeit klingt, findet sich leider längst nicht bei allen Produkten. So sind etwa Akkus in zahlreichen Geräten nicht austauschbar, sodass man wegen eines defekten Teils gleich ein neues Gerät kaufen muss. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich zur Optimierung der Langlebigkeit eines Produktes drei Möglichkeiten anbieten:

• Anpassung der Konstruktion an die Belastungen
• Einsatz hochwertiger, strapazierfähiger Materialien
• Austauschbarkeit von typischen Verschleißteilen

Oder mit anderen Worten: Weg vom „EinWeg“ ist der Weg!

SLIDERSTRAW
ist ein wiederverwendbarer Trinkhalm aus recyclefähigem Kunststoff. Dank einer patentierten Konstruktion besteht jeder Strohhalm aus zwei Teilen, die sich leicht ein- und ausschieben lassen. Nach Gebrauch können beide Teile getrennt in die Spülmaschine gegeben und hygienisch gereinigt werden – was bei herkömmlichen Einwegtrinkhalmen aufgrund ihres geringen Durchmessers nicht möglich ist.

Die Texte sind Auszüge aus dem Buch "360° Industrial Design" von dem Autor Arman Emami, erschienen 2014, niggli Verlag