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Ästhetik

Ästhetik

Ästhetik ist die Poesie der Formensprache.

Über Geschmack streiten

Liegt Schönheit wirklich im Auge des Betrachters? Oder ist Schönheit universell definiert? Ist Schönheit relativ oder absolut? Vieles deutet darauf hin, dass Schönheit in der Natur unabhängig von unserer persönlichen Wahrnehmung existiert; sie ist also viel weniger subjektiv als vielfach angenommen. Gegebenheiten wie Symmetrie oder Goldener Schnitt sind nicht Ansichtssache, sondern gehören zur Natur genau wie Anziehungskraft oder Schallwellen. Natürlich spielen auch persönliche Faktoren eine Rolle, wenn es um die Wahrnehming der Schönheit geht. Jeder hat einen eigenen Geschmack, und der ist eindeutig subjektiv. Was man als schön definiert, hängt unter anderem ab vom persönlichen Werdegang, dem sozialen Umfeld oder den biologischen Fähigkeiten. Jemand, der farbenblind ist, sieht die Welt etwas anders als eine Person, die das Farbspektrum in den feinsten Nuancen unterscheiden kann. Wer gern Maßanzüge trägt, wird mit zerrissenen Jeans seine Probleme haben. Das Schönheitsideal der Menschen variiert. Aber wenn wir versuchen, die persönliche Brille abzulegen, finden wir einen gemeinsamen Nenner – und dann lohnt es sich vielleicht doch, über Geschmack zu streiten.

Form

Im Alltag sind der Kreativität eines Produktdesigners bestimmte Grenzen gesetzt. Zum einen bestimmt die Funktion die Form in starkem Maße. Außerdem schränkt das Produktionsverfahren den Spielraum weiter ein. Aber lassen Sie uns doch einmal kurz diese Fesseln beiseitelegen und nur die Ästhetik betrachten.   

Welche elementaren Grundregeln sind zu berücksichtigen?

Harmonie

Zusammenhänge aufzeigen.
Die Komposition eines neuen Produktes ist wie das Erschaffen visueller Musik. Kann man zwischen den Tönen Verknüpfungen herstellen, erscheint uns etwas harmonisch. Ähnlich verhält es sich mit der Optik. Die visuelle Wahrnehmung beim Menschen funktioniert nach folgendem Prinzip: Unsere Augen liefern dem Gehirn ständig neue Informationen, die Reizflut wird selektiert, Wichtiges wird von Unwichtigem getrennt. Ohne diese Filterung wäre unser Hirn – und damit wir – hoffnungslos überlastet.

Die selektierten Informationen werden anschließend in einer Art „Erinnerungs-Datenbank“ mit bereits bekannten Konstrukten abgeglichen. Wir verstehen einen gesehenen Gegenstand, und vor unserem geistigen Auge entsteht ein Abbild der Form. Was wir sehen, ist deshalb keine Wirklichkeit, sondern nur unsere Vorstellung von der Wirklichkeit.

Je besser sich die Form von unserem Gehirn analysieren lässt, desto angenehmer wird dieser Prozess empfunden. Zu viele Details, unproportionale oder unbekannte Formen erschweren die Rekonstruktion. Dadurch wirken solche Gestaltungen auf uns unangenehm und unharmonisch. Entdeckt das Gehirn bei einer Form jedoch logische Zusammenhänge und wird es nicht mit unnötigen Details belastet, fällt die Rekonstruktion leichter. Als Folge wirkt die Form auf uns harmonischer, wir schauen sie lieber an. Optimal ist also, einen Gegenstand so zu gestalten, dass er für das Gehirn „leicht verdaulich“ ist.

An dieser Stelle einige Empfehlungen, mit welchen Mitteln sich harmonische Gestaltungen entwickeln lassen:

Einheitlichkeit

Je weniger Formen, desto besser.
Ob identische Radien, gleich große Bedienelemente oder ähnliche Faktoren: Sie erleichtern dem Gehirn die visuelle Wahrnehmung einer Produktgestaltung.

Proportionen

Das Gehirn belohnen.
Ob Sie es wollen oder nicht: Beim Betrachten von Objekten analysiert Ihr Hirn unbewusst die mathematischen Verhältnisse zwischen den Komponenten. Die Komposition wird entweder als durchdacht bewertet, die Teilung einzelner Strecken als harmonisch – oder auch nicht. In sich schlüssige Proportionen „erfreuen“ also eigentlich nicht das Auge, sondern unser Hirn.

Der Goldene Schnitt.
Der idealen Formel, um Formen miteinander ins Verhältnis zu setzen, ist die Menschheit schon seit einer halben Ewigkeit auf der Spur. Dass sich die Suche lohnt, zeigt unter anderem der Goldene Schnitt. Bereits in der Antike um 300 v. Chr. lieferte der griechische Mathematiker Euklid von Alexandria erstmals Beschreibungen zu diesem Prinzip. Der mit einem beeindruckenden Namen ausgestattete franziskanische Mönch Luca Pacioli di Borgo San Sepolcro bezeichnete den Goldenen Schnitt gar als Göttliche Teilung. Die erste konkrete Berechnung wird dem Tübinger Professor Michael Maestlin zugeschrieben. Im Jahre 1597 definierte er den Goldenen
Schnitt in einem Brief an seinen Exschüler Johannes Kepler als einen Wert von „ungefähr 1,6180340“.

Goldener Winkel
Den Goldenen Winkel erhält man, wenn man den Umfang des Kreises in dem Verhältnis vom goldenen Schnitt teilt. Der daraus folgende Winkel beträgt dann ca. 137,5° und wird als Goldener Winkel bezeichnet. Durch wiederholte Drehung um den Goldenen Winkel erreicht man immer wieder neue Positionen, die relativ zu einander versetzt sind. Dieser Effekt entsteht, da eine ganze Umdrehung (360°) nicht in 137,5° Schritte teilbar ist. Setzt man die Teilung fort, so entsteht durch die versetzte Positionierung ein Muster. Solche Muster sind oft in der Natur zu beobachten und liefern den Beweis, dass der goldene Winkel in der DNA vieler Lebewesen verankert ist.

 

Gestaltungsraster

Ordnung „hinter den Kulissen“.
Die Elemente innerhalb eines Designs werden so an einem „unsichtbaren“ Gestaltungsraster ausgerichtet, dass deren Verteilung einen harmonischen Gesamteindruck vermittelt. Neben sichtbaren Elementen wie Bedienknöpfen, Displays oder Lüftungsschlitzen werden auch imaginäre Elemente wie Mittelpunkte von Radien oder gedachte Verlängerungen von Seitenlinien innerhalb des Gestaltungsrasters angeordnet. Dadurch profitiert nicht nur die Optik eines Produktes, sondern auch dessen Bedienkomfort; ein klar strukturiertes Design ist schneller zu erfassen und intuitiver zu benutzen. Meistens verwendet man als Gestaltungsraster eine karierte Fläche; die Ausrichtung der Elemente erfolgt horizontal und vertikal. Darüber hinaus existieren weitere Möglichkeiten: Statt eines viereckigen Rasters bieten zum Beispiel dreieckige Raster ein interessantes Gerüst, um Einzelelemente anzuordnen. Zudem sind kreisförmige Raster denkbar oder Raster, denen geometrische Algorithmen zugrunde liegen.

Der Ikosaeder gehört zu den platonischen Körpern und eignet sich optimal für eine geodätische Kuppel (Konstruktion einer sphärischen Kuppel mit einer Substruktur aus Dreiecken). Alle Eckpunkte des Ikosaeders liegen auf der Oberfläche einer Kugel. Die Anordnung nach dem Prinzip eines Isokaeders ermöglicht eine gleichmäßige Verteilung der Dimples.

Reduzierung

Weniger ist mehr.
Designelemente ohne eine logische Funktion haben in den meisten Fällen auch keine Existenzberechtigung. Unnötiges lenkt unser Gehirn nur vom Wesentlichen ab. Überflüssige Details reflektieren oft den Zeitgeist. Sie sind nach ein paar Jahren meistens so peinlich, wie die Outfits der Popsänger aus den 80er-Jahren.

Symmetrie

Halbe Sachen, die sich lohnen. Bei einem symmetrischen Design reicht dem Hirn schon die Hälfte der Informationen, um sich ein Bild vom Ganzen zu machen: Gestaltung wird besonders schnell erfassbar.
Schmetterlinge, Sonnenblumen, Menschen; sie alle sind zum großen Teil symmetrisch aufgebaut. Der Begriff Symmetrie bezeichnet die Eigenschaft einer geometrischen Form, sich auf sich selbst abbilden zu lassen. Abgeleitet von dem griechischen Wort symmetría bedeutet es so viel wie Ebenmaß. Durch ihre Gleichmäßigkeit kann eine symmetrische Form leichter vom Auge erfasst werden und wirkt beruhigend auf den Betrachter. Symmetrien lassen sich auf verschiedene Arten erzeugen, im zweidimensionalen Bereich unterscheidet man vor allem zwischen Achsen- und Drehsymmetrie.

Achsensymmetrie
Diese Variante wird auch Spiegelsymmetrie genannt. An einer Symmetrieachse lässt sich ein Teil der Form so spiegeln, dass beide Bestandteile deckungsgleich sind. Ein großes A ist zum Beispiel symmetrisch: Teilt man den Buchstaben mittig von oben nach unten und „klappt“ eine Hälfte auf die andere, sind beide A-Hälften identisch.

Drehsymmetrie
In der Natur sind Blumen ein gutes Beispiel für Drehsymmetrie; um einen Punkt, dem sogenannten Symmetriezentrum, erfolgt in bestimmten Abständen eine Spiegelung der Formen. Die Blätter vieler Blüten sind symmetrisch um einen Mittelpunkt angeordnet – natürlich nur, solange man diese nicht als Orakel für Zuneigung missbraucht und eins ums andere entfernt ...

Durch Symmetrie lassen sich faszinierende Muster erschaffen. Ordnet man Formen zu symmetrischen Systemen, erhält man eine Fülle von Mustern, auch Parkettierungen genannt.

Asymmetrie

Wie der Name bereits sagt, bezeichnet die Asymmetrie das Gegenteil von Symmetrie; eine geometrische Form lässt sich nicht exakt aufeinander abbilden. Ein interessanter Grenzfall ist das menschliche Gesicht. Auch wenn es augenscheinlich symmetrisch wirkt, gibt es dennoch mehr oder weniger starke Abweichungen: Die linke und rechte Gesichtshälfte weist bei den meisten Menschen gewisse Abweichungen auf. Ein absolut symmetrisches Antlitz, das Wissenschaftler per Computer simulierten, indem sie eine Gesichtshälfte 1 : 1 spiegelten, wirkte nicht etwa schöner – sondern zu perfekt, steril, künstlich.

Bei jeder Gestaltungsarbeit gilt es zu klären, ob und an welcher Stelle Formen symmetrisch oder asymmetrisch angeordnet sein sollen. Wie so oft im Leben gibt es für beide Seiten Argumente. Symmetrische Formen sind einfacher vom Auge zu erfassen, weil ein „Muster“ leichter zu erkennen ist. Asymmetrische Formen dagegen sind spannender, weil sie dem Betrachter mehr Abwechslung bieten. Im mechanischen Bereich bringt manchmal Asymmetrie Nachteile mit sich, weil dadurch ungleiche Belastungen auftreten. In den meisten Fällen besteht ein Produktdesign aus der gelungenen Synthese beider Symmetriearten. Das sorgt dafür, dass ein Design leicht zu erfassen und spannend ist. Die Front eines Autos ist zum Beispiel symmetrisch, das Seitenprofil ist häufig asymmetrisch; durch verschiedene Perspektiven mischen sich Symmetrie und Asymmetrie zu einem Ganzen.

Eindeutigkeit

Missverständnisse vermeiden.
„Ein bisschen schwanger geht nicht“, nur ein klares Ja oder Nein sorgt für Klarheit. Genau wie in der Sprache muss auch die Formensprache eindeutig sein, um verstanden zu werden. Nicht eindeutiges Design zwingt unser Gehirn zu Mehrarbeit, wir müssen genauer hinschauen, um eine Form vor unserem geistigen Auge zu rekonstruieren. Reduzierte, klare Formen erkennen wir „auf den ersten Blick“ und nehmen sie daher als besonders angenehm und harmonisch wahr.

Regelmäßigkeit

Die Kurve kriegen, aber richtig.
Wann hat man Lust, ein Objekt länger zu betrachten?
Wann will man es nicht nur mit den Blicken, sondern mit den eigenen Händen berühren?

Diese Fragen lassen sich gut am Beispiel der Kurve untersuchen. Vereinfacht gesagt, ist eine Kurve zunächst mal eine ungerade Gerade. In der Geometrie bezeichnet der Begriff Krümmung die Richtungsänderung beim Durchlaufen der Kurve. Doch wann wirkt eine Krümmung auf uns harmonisch, sodass wir sie gern anschauen?
Da unser Gehirn am liebsten einfach erfassbare Formen rekonstruiert, muss eine Krümmung logisch und verständlich sein. Eine Kurve wird von uns als harmonisch empfunden, wenn sie regelmäßig verläuft und ihre Form nicht abrupt ändert. Unser Gehirn kann Formen mit einem eindeutigen mathematischen Hintergrund bequemer erfassen. Daher sollte die Änderung von Formen möglichst logisch nachvollziehbar sein. Der Verlauf einer Kurve, ihre Steigung, spielt also eine essenzielle Rolle für unsere Wahrnehmung.

In der Mathematik ist die Steigung das Maß für die Steilheit einer Geraden oder einer Kurve. Was heißt das? Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor einer Straße, die einen Berg hinaufführt. Sie wollen auf den Gipfel, und dazu müssen Sie die Steigung überwinden. Bei jedem Schritt vorwärts bewegen Sie sich auch ein gewisses Maß nach oben. Je steiler die Straße ist, desto mehr Kraft kostet Sie das Vorankommen. Das Verhältnis zwischen der Höhenänderung zur horizontal zurückgelegten Strecke definiert die Steilheit der Straße.

alls Sie sich jetzt fragen, was die Steigung von Geraden mit Kurven zu tun hat, vielen Dank für die Aufmerksamkeit; dies sollte lediglich zeigen, dass die Steigung bei Geraden über die gesamte Strecke konstant ist. Anders verhält es sich bei Kurven, hier ändert sich die Steigung ständig. Um bei dem Beispiel mit unserer Straße zu bleiben: Mal geht es bergauf, mal bergab. Ändert sich die Steigung einer Kurve mit einer bestimmten Regelmäßigkeit, wirkt sie auf uns harmonischer. Auch wenn Sie in der Schule keinen Mathe-Leistungskurs hatten, Ihr Gehirn registriert die Regelmäßigkeit oder Unregelmäßigkeit eines Kurvenverlaufs. Es versucht, die Form zu rekonstruieren, und kann regelmäßige Änderungen leichter verdauen. Komplexe oder gar unregelmäßige Verläufe liegen ihm „schwer im Magen“, denn sie erfordern viel Berechnung und wirken somit für den Betrachter unangenehm und unharmonisch.

bloomy
Der Raumduftspender, der verführt. Schönheit zieht an. Seine Form gleicht einer aufblühenden Knospe und widerspiegelt somit seine Funktion.

 

Bioästhetik

Natürliche Schönheit ist unschlagbar.
Während die Bionik in der Natur in erster Linie technische Aspekte untersucht, widmet sich die Bioästhetik ästhetischen Fragen. Sie erforscht die Schönheit natürlicher Organismen, ihre Gesetzmäßigkeiten und Harmonien – mit dem Ziel, die Erkenntnisse für Produkte nutzbar zu machen. Oft genug muss man anerkennen, dass wir auf der Erde durch eine „Dauerausstellung“ in Sachen exzellentes Design wandeln. Es müssen nicht immer Blumen sein, die als Vorbild für gute Gestaltung dienen. Schaut man etwas genauer hin, entdeckt man oft Verblüffendes: Auch das seidenmatte Finish und der harmonische Kurvenverlauf eines Kakerlaken-flügels kann Inspirationen für Produktgestaltung liefern. Kurvenverläufe, Oberflächencharakter, Struktur, Farbkombination oder die Komposition und Relation der einzelnen Bestandteile eines natürlichen Organismus sind häufig ideale Designvorlagen. Dabei ist „schön“ oft viel mehr als „schön“ – Schnittmengen zwischen Bionik und Bioästhetik sind keine Seltenheit, das Prinzip „Form follows function“ gilt auch in der Natur. Harmonische Proportionen sind also nicht nur angenehm, sie funktionieren auch besser. Zum Beispiel haben viele Fischarten eine sehr harmonische Form, die im Wasser einen besonders geringen Widerstand leistet, weswegen der Körper von Fischen als Vorbild zur Gestaltung von U-Booten und Schiffen dient. Davon abgesehen kann man im Design mehr oder weniger subtil mit den Assoziationen spielen, die wir mit natürlichen Formen haben: So diente der schnittige Körper eines Hais als Vorlage für die Sportwagenstudie Corvette Mako Shark; die Kraft, Geschwindigkeit und Wendigkeit, die der Betrachter mit einem Hai verbindet, überträgt sich auf das Autodesign.

Higgs (im Auftrag des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS)
Alles schön im Blick. Die Minikamera des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS ist intelligent, kann Gesichter erkennen und mehr. Erkenntnisse aus der Bioästhetik standen bei dem Design Pate: Ihre Insekten nachempfundene Form kommt besonders in Kombination mit den Stativfüßen zur Geltung. So wirkt die Kamera wie ein kleiner flinker Helfer, der unermüdlich „arbeitet“ und Informationen liefert.

Farbe

Farben beeinflussen uns mehr, als wir denken. Sobald Licht auf unser Auge trifft, folgt nicht nur eine einfache Farbempfindung, das Lichtspektrum einer Farbe kann auch die verschiedensten Assoziationen in uns auslösen. Diese sind entweder von unseren individuellen Erfahrungen abhängig oder von dem Wissen, das sich über Jahrhunderte entwickelte und von Generation zu Generation weitergegeben wurde beziehungsweise sich durch die Evolution in unseren Genen verankert hat.

Eine kleine Übersicht zeigt, wie wir häufig auftretende Farben wahrnehmen, welche Bedeutungen wir mit ihnen verbinden:

Rot
Diese Farbe lässt keinen kalt.
Die Farbe Rot steht unter anderem für Leben, Leidenschaft und Erotik. Weitere Assoziationen sind Energie, Feuer, aber auch Wut und Aggression (daher auch der Begriff „rotsehen“).

Blau
Diese Farbe weckt Fernweh.
Die Farbe Blau erscheint uns kalt. Analog der Weite des blauen Himmels oder des Meeres verbinden wir sie oft mit Ferne. Blau beruhigt, wirkt klar und würdevoll auf uns und gibt Hoffnung.

Gelb
Diese Farbe macht gute Laune.
Die Farbe Gelb steht für Lebensfreude, Vitalität. Wir kennen sie gut von der Sonne und der belebenden Wirkung ihrer Strahlen. Gelb kann auch für Neid oder Gier stehen (Goldassoziation).

Grün
Diese Farbe ist nur natürlich.
Die Farbe Grün ist uns von den meisten Pflanzen bekannt. Wir verbinden sie mit Wachstum und Leben, Ausgeglichenheit und Ruhe. Ist etwas im grünen Bereich, laufen die Dinge gut.

Schwarz
Die Farbe, die keine ist.
Obwohl von Vincent van Gogh als die „Königin der Farben“ bezeichnet, ist Schwarz rein physikalisch gar keine Farbe. Schwarz empfundene Oberflächen schlucken alle Lichtwellen; sie wirken auf den Betrachter elegant, klassisch und exklusiv.

Weiß
Die Farbe des Guten.
Ebenso wie Schwarz ist Weiß keine „echte“ Farbe, allerdings verbinden wir mit dem Farbeindruck Weiß Assoziationen wie: Reinheit, Licht, Wahrheit Unschuld, oder Vollkommenheit.

Silber
Die Farbe der Moderne.
Als Edelmetall gilt Silber oft als „ewiger Zweiter“. Gold hat die Nase vorn. Farbtechnisch ist Silber aber besser im Geschäft. Es steht für Dynamik, Eleganz, Wertigkeit und Fortschritt.

Gold
Die Farbe des Prunkes.
Das begehrte Edelmetall verlieh der Farbe Gold ihren Namen. Assoziationen sind Reichtum, Luxus, Macht; aber auch eine konservative Einstellung mit Hang zur Verschwendung.

Genau wie jeder Mensch ganz bestimmte Farben hat, die ihm besonders gut stehen, gibt es auch für ein Produkt Farben, die es besonders vorteilhaft erscheinen lassen. Farben prägen den Charakter eines Produktes maßgeblich mit; sie können es zum Beispiel besonders auffällig machen, jung, reif, warm, kalt, technisch, sachlich, edel, billig, klassisch oder futuristisch. Sie können die Assoziationen, die eine Form weckt, noch steigern oder einen Kontrapunkt setzen. Selbst ein Ferrari wirkt um einiges handzahmer, wenn er grün lackiert ist. Eine wichtige Rolle für die passende Farbauswahl spielt, wo das Produkt benutzt werden soll. Im europäischen Kulturkreis symbolisiert Weiß zum Beispiel positive Werte wie Unschuld, Sauberkeit oder auch Weisheit. Verwendet man die gleiche Farbe in Ostasien oder Afrika, verbinden Menschen damit Trauer und Tod. Eine europäische Braut, ganz in Weiß gekleidet, mutiert bei diesen Menschen schnell zur Trauernden. Apropos Weiß: Wussten Sie, dass Stiere rot-farbenblind sind? Ihnen ist es somit herzlich egal, dass der Torero ein rotes Tuch in der Hand hält. Was sie dagegen sehr stört, ist das hektische Wedeln der sogenannten Muleta. Ursprünglich war dieses Tuch weiß. Da ein Stierkampf aber eine blutige Angelegenheit ist, hat man das Tuch später dunkelrot gestaltet, was die Sache zwar nicht weniger fragwürdig, aber optisch weniger blutig macht.

Das rote Tuch funktioniert beim Menschen übrigens weitaus besser, man muss noch nicht einmal damit wedeln. Rot sticht uns ganz besonders ins Auge – es hat die höchste sichtbare Wellenlänge an elektromagnetischer Strahlung. Deshalb wird es auch häufig als Signalfarbe genutzt und ziert zum Beispiel Schilder, Lippen oder Sportwagen. Dazu passt auch das Ergebnis einer Studie der Technischen Universität München: Probanden spielte man das Geräusch eines vorbeifahrenden ICE-Zuges vor. Dazu sahen die Testpersonen auf einer großen Leinwand unterschiedlich eingefärbte Schnellzüge. Ergebnis: Obwohl die Lautstärke der Zuggeräusche stets identisch blieb, empfanden die Probanden den roten Zug am „lautesten und schnellsten“.

Ein weiteres Beispiel für die assoziative Kraft von Farben ist die faszinierende Erfolgsgeschichte der Jeans. Sie ist untrennbar mit der Farbe Blau verbunden. Eigentlich wollte Levis Strauss, nachdem er in Franken geboren worden war und 1847 nach San Francisco ging, einfach nur robuste Arbeitskleidung für Goldgräber herstellen. Den besonders haltbaren Stoff, den er aus der französischen Stadt Nîmes bezog, nannte er kurz Denim. Dieser erhielt durch den Farbstoff Indigo seine typisch blaue Farbe. Der Rest ist Geschichte – die Jeans trat ihren Siegeszug über den gesamten Erdball an, bis heute ist ihre Beliebtheit ungebrochen. Wer seinem Produkt den Charakter von Unverwüstlichkeit geben will, könnte sich unter anderem gewisse Anleihen bei dem Erfolgsmodell Jeans holen. Blau wirkt einfach strapazierfähiger – nicht nur der Jeans wegen, sondern weil ab Beginn des 20. Jahrhunderts ein großer Teil der Arbeitskleidung blau gestaltet wurde. BASF fand einige Jahre zuvor eine preiswerte Methode, um Stoffe mithilfe von synthetischem Indigo blau zu färben. Ob Blaumann, Kittel oder Arbeitsschürzen, auf der ganzen Welt trägt man bis heute im Beruf häufig Kleidung in Blautönen. Die Assoziation, dass Blau gleich Arbeit ist, haben wir über Jahrzehnte gelernt.

Mitunter recht schmerzhaft haben wir auch Folgendes gelernt: Die besonders auffällige Farbkombination aus Schwarz und Gelb ist mit Vorsicht zu genießen! Wer einmal in den Genuss eines Wespenstichs kam, kann dies sicher bestätigen. Auch weitaus giftigere Lebewesen nutzen diese Farbkombination, um mögliche Angreifer abzuschrecken. Kein Wunder also, dass viele Warnschilder in Schwarz und Gelb gehalten sind; sie warnen unter anderem vor Radioaktivität oder Sprengstoff.

Farbkombinationen

Arbeitet man bei Produkten mit mehreren Farben, sollte man darauf achten, dass die Farbtöne gut zusammenpassen. Das gilt für den Fall, dass mehrere Bestandteile eines Produktes unterschiedliche Farbtöne haben. Ebenso ist es wichtig, auf eine harmonische Farbkombination zu achten, wenn man ein und dasselbe Produkt in verschiedenen Farbtönen anbietet. Vereinfacht gesagt: Platziert man sämtliche angebotenen Farbvarianten eines Produktes nebeneinander, sollten die Abstufungen harmonisch wirken – wie aus einem Guss. Bei Autoherstellern ist es zum Beispiel üblich, die einzelnen Lacke sorgsam aufeinander abzustimmen. Würde man die riesigen Stellflächen für Neuwagen überfliegen, sollten die Farblackierungen der einzelnen Autos ein harmonisches Gesamtbild ergeben. Wie lassen sich also nun angenehm empfundene Farbkombinationen erreichen?

Ton in Ton

Eine Farbfamilie erzeugen.
Der erste Schritt ist, sich für eine Grundfarbe zu entscheiden, sagen wir Orange. Dann erzeugt man verschiedene Nuancen des Orangetons, die sich lediglich durch ihre Intensität unterscheiden. Es geht also darum, die Qualität und die Helligkeit der Farbe Rot zu variieren. Derart erzeugte Farbfamilien besitzen, wie bei echten Familien, eine gut erkennbare Ähnlichkeit. Sie sind eine wichtige Stellgröße, um bei Produkten eine bildliche Einheit zu erreichen. Das beste Ergebnis erzielt man, wenn die Nuancen einer Farbe in gleichmäßigen Abstufungen erstellt werden, es also keinen optischen Bruch zwischen den Farbtönen gibt.

Farbklang

Im Einklang mit dem Farbklang.
Will man harmonische Farbserien aus unterschiedlichen Farben erzeugen, bietet sich der Farbklang an. Er bezeichnet einen Mix aus mehreren Farben, die sich durch identische Helligkeit und Qualität auszeichnen. Im Gegensatz zu Farbfamilien wählt man zunächst unterschiedliche Farben aus und stimmt sie danach aufeinander ab. Ein Beispiel: Die beiden Farben Rot und Blau sind zwar verschieden, können aber die gleiche Farbqualität aufweisen. Bei der Farbauswahl kann man auf gegensätzliche Farben zurückgreifen, wie die Komplementärfarben Gelb und Blau. Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung von Farben, die im Farbkreis aneinander angrenzen, wie Rot und Orange. Benötigt man mehr als zwei Farben, ist es wichtig, die Differenz zwischen den Farben möglichst gleichmäßig zu gestalten. Um diesen Prozess zu präzisieren, lässt sich beispielsweise das Farbsechseck zurate ziehen.

Komplementärfarbe
(lat. complementum „Ergänzung“)(lat. complementum „Ergänzung“) ist ein Begriff aus der Farbenlehre. In der Farbenlehre unterscheidet man zwischen der additive und subtraktive Farbmischung. Komplementärfarben werden auch als Gegenfarben bezeichnet. Wird eine Farbe also mit ihrer Komplementärfarbe gemischt, ergibt sich ein neutraler Grauton. Ein Farbenpaar kann als komplementär empfunden werden, auch wenn es dies nach den technisch-physikalischen Werten (z. B. RGB, CMYK) nicht exakt ist.

Naturfarben

Was haben ein australisches Korallenriff, ein indischer Tiger und eine deutsche Wiese gemeinsam? Die Konstrukteurin. Allesamt wurden sie von der Natur entwickelt. Und speziell beim Einsatz von Farbe zeigt sie sich alles andere als geizig. Wer Inspiration in Sachen Farbe sucht, braucht einfach nur mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. Ein Besuch im Park, ein Picknick auf der Wiese, überall finden sich Farben, die gut miteinander harmonieren. Die Verwendung von Farbtönen aus der Natur liefert aber nicht nur „einfach schöne“ Kombinationen, wir empfinden diese Farben auch als besonders authentisch. Ganz einfach, weil sie das Natürlichste von der Welt sind.

 

Oberflächencharakter und Haptik  

Wie sehr glänzt ein Material? Welche Farbe hat es? Wie fühlt es sich an? All diese Fragen spielen eine große Rolle bei der Gestaltung eines Produktes. Durch folgende Verfahren lassen sich die Oberflächen von Materialien relativ leicht definieren:

• Beschichtungen durch Lackierung, Färben, Rubber Painting, etc.
• Chemische Behandlungen wie zum Beispiel Elektrolyse
• Physikalische Verfahren wie Polieren, Sandstrahlen, Bürsten

Um Oberflächen ästhetisch und haptisch überzeugend zu gestalten, sind vor allem zwei Punkte zu berücksichtigen:

Haltbarkeit

Es ist wichtig, dass die Veredlung langfristig hält. Ein Beispiel: Eine sandgestrahlte Oberfläche kann durch Reibung und Abnutzung schnell inhomogen glänzend wirken. Auch durch Elektrolyse veredelte Oberflächen nutzen sich oft durch mechanischen Abrieb ab. Gegenstände wie Schrauben, Werkzeuge oder Sportgeräte, die ganz oder partiell einer hohen mechanischen Belastung ausgesetzt sind, sollten besonders hochwertig behandelt werden, um lange haltbar zu bleiben.

Authentizität

Die Oberfläche sollte nicht vortäuschen, etwas anderes zu sein. So wird zum Beispiel Plastik häufig mit einer metallischen Beschichtung versehen. Doch nur eine einzige Berührung verrät
uns die Täuschung: Das Produkt wirkt unecht, nicht authentisch. Spätestens, wenn die Beschich-tung zum Teil abgekratzt ist und der Kunststoff darunter sichtbar wird, mutiert die Täuschung zur (Ent)Täuschung. Schlimmer als das, sind nur noch Holz- oder Lederimitate. Wer ein Material einsetzt, sollte selbstbewusst dazu stehen – statt es zu verstecken.


Optische Täuschung

Falsche Fährten legen.
Wir können unseren Augen nicht immer trauen. Nein, nicht erst nach dem zweiten Glas Rotwein, sondern jederzeit. Das weite Feld der optischen Täuschungen beweist, dass die Dinge, die wir wahrnehmen, und die, die im physischen Sinne wahr sind, häufig zwei Paar Schuhe sind. Dieser immer wieder erstaunliche Effekt kann einen nun in eine mittelschwere Sinnkrise führen. Oder man nutzt ihn, um Produkte besser aussehen zu lassen. Optische Täuschungen kennt man in fast allen Bereichen der visuellen Wahrnehmung. Zum Beispiel gibt es Tiefenillusionen, Farbillusionen, geometrische Illusionen, Bewegungsillusionen. Wie das geht? Vereinfacht gesagt, pflegt unser Gehirn gern Vorurteile, um sich das Leben leichter zu machen. Das heißt, bei der Rekonstruktion von Bildern analysiert es die erhaltenen Eckdaten lediglich grob, um das Gesehene möglichst rasch in eine passende Schublade stecken zu können. Dieses Prinzip funktioniert zwar meist gut und ist für unseren Alltag äußerst praktisch und sogar notwendig. Der Nachteil dabei ist nur, dass die Vorurteile – genau, wie im Leben – nicht immer stimmen.

Besondere Bedeutung kommt im Produktdesign dem Effekt der geometrischen Illusion zu. Wir können gezielt damit spielen, um ein Gerät zum Beispiel schlanker erscheinen zu lassen. In der darauf folgenden Abbildung zieht der mittige schwarze Streifen die Aufmerksamkeit auf sich, die silbernen Bereiche darüber und darunter „verschwinden“ optisch. Ein Effekt, den die Wölbung noch unterstützt. Die externe Festplatte erscheint dadurch dünner, was gleichzeitig (bewusst und unbewusst) mit Produkteigenschaften wie „moderner“, „kompakter“ und „leichter“ assoziiert wird.

Square
Die Mobile Drive Sq erfüllt alle Anforderungen an eine qualitativ hochwertige, mobile Festplatte. Sie wirkt durch die leicht gewölbten Ober- und Unterflächen optisch schlank, und die Edelstahlplatten schützen das Produkt vor Kratzern. Der seitliche Kunststoffstreifen dämpft die Festplatte bei einem möglichen Aufprall.

 

Kunstnote

Design und Kunst sind stark miteinander verwandt. Und doch sind diese beiden Disziplinen so unterschiedlich. Während es beim Produktdesign zahlreiche Einschränkungen und Regeln gibt, widerspricht dies dem Prinzip der Kunst völlig. Sie lebt vor allem vom Luxus, frei zu sein und Regeln zu brechen. Auch wenn es häufig heißt „nach allen Regeln der Kunst“: Sie sind nicht existent. Anders als im Bereich Design.

Dieser Umstand sollte einen Produktdesigner aber keinesfalls betrüben. Vielmehr sollte er Ansporn sein, kreativ zu sein. Die Herausforderung ist, immer wieder auch den schmalsten Grad zu nutzen, um den Pragmatismus zu durchbrechen.

Betrachten wir als Beispiel nur einmal die Natur. Auf der einen Seite ist alles durchdacht, alle Dinge funktionieren gut und ergänzen sich perfekt. Es existiert ein schier unglaubliches Gesamtsystem. Aber ganz ehrlich: Wer auch immer das Ganze einst entwarf, hätte es auch viel pragmatischer und langweiliger gestalten können. Auch in der Natur existiert eine Kunstnote.

Das Schöne und Schwierige daran ist, dass man diese Note wenig bis gar nicht analysieren kann. Fest steht nur eines: Auf jeder Gestaltung findet sich ein persönlicher Fingerabdruck des Designers. Er bringt jedes Mal, metaphorisch gesprochen, ein Stück seiner Seele in den Entwurf ein. Genau das kann den feinen Unterschied machen, wenn zwei Produkte vom reinen Gebrauchswert identisch sind und der Kunde sich für eines der beiden Dinge entscheidet. Menschen spüren und lieben die Begeisterung, mit der ein Produkt entworfen wurde. Auch wenn sie oft nicht beschreiben können, wieso. Eine Kunstnote ist also gewissermaßen auch zwischen den Zeilen zu lesen.

Bei der Kunstnote zählt vor allem:
• Mut zum kreativen Chaos
• Freude an positiver Provokation
• Bruch mit dem Gewohnten

Das Spielerische innerhalb des Designs verleiht einem Produkt mehr Einzigartigkeit, macht es unverwechselbarer und gibt ihm einen Charakter. Dadurch kann es sympathisch aus der Masse herausstechen. Und überlegen Sie einmal: Auch bei Menschen lieben wir doch meist die mit Ecken und Kanten.

Natürlich gilt wie fast überall: Nicht übertreiben! Sonst kann aus Kunst schnell Kitsch werden. Genie und Wahnsinn liegen ja bekanntlich nah beieinander.

Die Texte sind Auszüge aus dem Buch "360° Industrial Design" von dem Autor Arman Emami, erschienen 2014, niggli Verlag